Katrin und Peter Hoffmann kennen jeden Meter Sand zwischen Rostock und der polnischen Grenze. Dort sind sie regelmäßig mit ihrem Bauchladen unterwegs. Sie verkaufen selbst geschriebene Krimis direkt am Strandkorb. Sie haben den Strandläufer-Verlag gegründet, die kleinste Buchhandlung Mecklenburg-Vorpommerns.
In der Stralsunder Altstadt in der Mönchstraße 58A zappeln Hände aufgeregt durch die Luft. Die Arme wirbeln von links nach rechts und von oben nach unten. In der Küche des denkmalgeschützten Hauses stand eben noch die Mittagssuppe auf dem Tisch, nun steht Katrin Hoffmann vor dem Tisch und erzählt in ihrer lebhaften Art von Krimis und Kochbüchern, von Leichen und Rezepten. Peter, ihr Mann, sitzt am Tisch. Er ist der ruhigere Part des Verlegerduos.
Wenn Katrin und Peter Hoffmann erst einmal angefangen haben mit dem Erzählen, sind sie nur schwer zu bremsen. So kann es passieren, dass man eben noch bei der Suppe saß und nun schon den Kaffee eingeschenkt bekommen hat, ohne es so richtig zu merken. In der Zwischenzeit spielen sich die Hoffmanns die Bälle zu. Sie redet, er gibt Stichworte. Sie sind ein eingespieltes Team, als Ehe- und als Geschäftspartner. Sie, Jahrgang 1966, ist gebürtige Stralsunderin, arbeitete als Lokaljournalistin elf Jahre auf Usedom. Er, Jahrgang 1967, stammt aus dem Oldenburgischen in Niedersachsen und studierte mal Ökonomie. Sie: „Bücher sind unsere Passion. Wir haben schon immer gelesen. Und irgendwann wollten wir dann auch schreiben.“ Er: „Und dann habe ich es mal mit einem Krimi probiert.“ Die Pilzsammlerin. Erschienen im Mai 2008. Die erste Auflage von 1500 Stück war schneller verkauft, als gedacht. Eine zweite musste her. Und weitere Krimis.Heute haben die Hoffmanns ihren eigenen kleinen Verlag, den Strandläufer-Verlag, die kleinste Buchhandlung Mecklenburg-Vorpommerns, wie sie gerne betonen. Und sie haben auch ein Motto: „Entweder das ist genial oder völlig bescheuert.“ Beide grinsen jetzt.
Katrin Hoffmann wischt mit einem Lappen kleine Kaffeepfützen vom Holztisch, geht hinaus, kommt wieder herein und legt die Bücher der letzten viereinhalb Jahre – so lange gibt es den Verlag nun – sorgsam nebeneinander. Der Tisch ist schnell gefüllt mit Die Fischhändlerin oder Blauzahns Schatz. Beides Stralsund-Krimis, wie sie die Taschenbücher untertitelt haben. Rund 200 Seiten gibt es für 9,90 Euro. Daneben liegt Das Rügen-Kochbuch. Das Stralsund-Kochbuch. Sie haben Rezepte von Menschen aus der Region gesammelt. Und auch die Kochbücher fanden unerwartet guten Absatz. Das Erfolgsrezept: „Wir gehen hin zu den Leuten und fragen: Was habt ihr schon immer gegessen? Was schmeckt euch gut? Was hat Großmutter schon gekocht?“
Peter Hoffmann erzählt jetzt, wie das damals anfing mit dem Schreiben und mit dem Verlag. Die Idee sei am Strand gekommen. Der Eismann lief vorbei. Und die Hoffmanns überlegten, was neben Eis, Zeitungen, Würstchen und Kaffee noch fehlt, was Touristen im Urlaub sonst noch tun, wenn ihnen das Sonnenbad zu langweilig wird. „Lesen“, ruft Katrin Hoffmann, als wäre sie gerade erst darauf gekommen. „Es müssen Schmöker sein, die in die Strandtasche passen, sie dürfen nicht zu schwer sein, eine sommerleichte Urlaubslektüre“, erklärt sie. Und weiter: „Wer hier an der Ostsee im Urlaub ist, muss doch auch Geschichten von hier lesen. Wir wollen den Leuten etwas Regionales mitgeben.“ Gedruckt wird auch in der Region. Und das Layout macht eine Frau aus Stralsund. „So sind die Wege kurz“, sagt Peter Hoffmann, der Brille und Schnauzbart trägt, „unsere Bücher sind durchweg regionale Produkte.“
Im Winter wird geschrieben. Von Ende Mai bis in den September hinein ist Saison. Dann hängt sich Peter Hoffmann seinen Bauchladen um, der aus leichtem Holz gebaut ist. Mit Büchern sind es dann knapp zehn Kilo. Früher wurden in einem Hamburger Kino Zigarren daraus verkauft. Nun läuft er los und bringt Touristen den Lesestoff direkt an den Strandkorb, was ziemlich selten für einen Verleger sein dürfte. In der Hand hält er eine kleine Glocke, mit der er gelegentlich läutet. „Papier und Sonne ist sehr kompliziert“, erzählt er, „Papier und Wasser aber geht gar nicht. Wir sind auf gutes Wetter angewiesen.“ Es ist Anfang Juni, bislang hat das Wetter noch nicht mitgespielt. Das kann man an Peter Hoffmanns Haut erkennen: Sie ist noch sonnenverschont und eher weiß. Er sagt: „Nach zwei Wochen am Strand sehe ich anders aus.“
Prerow. Hiddensee. Binz. Peenemünde. Heringsdorf. Die Hoffmanns kennen jeden Meter Sand zwischen Rostock und Ahlbeck an der polnischen Grenze. Und Peter Hoffmann hat längst einen Blick dafür, welcher Badegast Interesse für seine Bücher haben könnte und wer besser nicht gestört werden will. Im eher schickeren Seebad Binz, wo in der Nachsaison viele Rentnerpaare sitzen, sollte man eher die Kochbücher mitnehmen. Dort wo viele Familien sind, kommen Kinderbücher und Krimis besser an. An manchen Tagen ist der Strand voll, doch keiner kauft ein Buch, an anderen muss Peter Hoffmann mehrmals zum Auto laufen, um Nachschub zu holen. „Die See ist ja auch jeden Tag anders“, sagt er. „Es ist jedes Mal wieder aufregend, mit dem Bauchladen loszulaufen. Man weiß ja nie, wen man trifft.“ Und am FKK-Strand lässt auch er die Hose runter. Er sagt: „Das gehört dazu. So sind die Spielregeln.“
Peter Hoffmann ist an und für sich kein guter Name für einen Krimibuchautoren. Er klingt zu wenig geheimnisvoll, zu gewöhnlich. Peter Hoffmann hätte sich natürlich auch ein kraftvolles Pseudonym geben können, wie es viele heute tun – Hans G. Francis oder Vincent Voss zum Beispiel. Doch das wäre den Hoffmanns zu wenig authentisch gewesen. Denn auch in ihren Krimis steckt viel von dem echten Leben in Stralsund und der Geschichte der Stadt. Es sind keine blutigen oder gar bösartigen Schwedenkrimis der Marke Mankell. Es sind feine Beobachtungen, die Peter Hoffmann verarbeitet. Und er geht gerne ins Detail. Es macht ihm Spaß durch die Stadt zu laufen und mit kommissarischem Spürsinn die Leute zu beobachten. Er setzt sich gerne in Cafés und belauscht die Gespräche. Er besucht den Bestatter, die Gerichtsmedizinerin, das kulturhistorische Museum, um ganz nah dran zu bleiben an der Wahrheit und am Alltag. Er sagt: „Es muss ja alles Hand und Fuß haben.“
„Wer nach Stralsund zieht, muss sich die Arbeit mitbringen“, sagen die Hoffmanns, „wir haben uns den Verlag mitgebracht.“ Zunächst wollten sie sich drei Jahre geben und dann entscheiden, ob es weitergehen sollte. Mittlerweile können sie davon leben. „Stralsund ist ein überschaubarer Kosmos. Das macht das Ganze spannend.“ Und die Hansestadt mit ihren knapp 60.000 Menschen hat sich erholt in den letzten Jahren. Die Altstadt, die teilweise verfiel und als Schandfleck galt, ist heute angesagte Wohngegend. Früher war Stralsund nicht mehr als die Durchgangsstation nach Rügen. Heute kommen jedes Jahr eineinhalb Millionen Tagestouristen.
Anfang Juni ist Das Usedom-Kochbuch in einer Auflage von 4000 Stück erschienen. Eine Größenordnung, die für die Hoffmanns ein kleines Risiko bedeutet. Doch der Strandläufer-Verlag hat längst eine gewisse Berühmtheit erlangt an den Stränden Vorpommerns. Und auch die Touristen, die jedes Jahr kommen, freuen sich mittlerweile auf den nächsten Urlaubskrimi. Ein historischer Kriminalfall ist geplant. In Stralsund steht noch ein altes Scharfrichterhaus, das einzig noch erhaltene im Ostseeraum. Katrin Hoffmann sagt: „Das Buch schreit doch regelrecht danach, diesen Titel zu bekommen: Das Scharfrichterhaus. Finden Sie nicht auch?“
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