Peter Urdl ist mit Arnold Schwarzenegger zur Schule gegangen. Noch heute sind sie die besten Freunde – der Arnold, der die Steiermark verließ, um berühmt zu werden, und der Peter, der geblieben ist. Vor kurzem hat er das erste Schwarzenegger-Museum der Welt eröffnet.
Peter Urdl weiß, wer dran ist, wenn mitten in der Nacht das Telefon klingelt – sein Freund ruft an, der Arnold aus Amerika. Und der Arnold weiß natürlich auch, dass er den Peter gerade aus dem Bett holt, wegen der Zeitverschiebung. Der Arnold aber hat wenig Zeit und kann oft erst anrufen, wenn es in Los Angeles schon 20 Uhr oder später ist. Im österreichischen Thal, dort, wo der Peter lebt, ist es dann vier Uhr früh. Neulich, letzte Woche gerade, haben sie wieder einmal spät in der Nacht telefoniert, um Details für das Museum zu besprechen, das sie gerade gemeinsam planen. Er, der Urdl Peter, und sein Freund, der Schwarzenegger Arnold, wie man in Österreich sagt. „Ich bin froh, einen Freund wie den Arnold zu haben“, sagt der Peter, „und der Arnold sieht das genauso.“ Mehr als 40 Jahre haben sie Kontakt gehalten. Er sagt: „Der Arnold hat seine Heimat nicht vergessen, der weiß, wo seine Wurzeln sind.“
Es ist nicht zu überhören, dass der Peter, Jahrgang 1948, in der Steiermark geboren ist und sein Leben hier verbracht hat. Er hat einen starken steirischen Dialekt. Er sagt: „I rejd wia da Arnold.“ Und der Arnold hat das Steirisch weltberühmt gemacht. Heute noch spricht er ein eher breites Englisch mit steirischem Einschlag, das klingt, als ob ein zu langsam eingestellter Roboter eine neue Fremdsprache eingespeist bekommen hat. Er hat es nie nötig gehabt, seinen Akzent wegzuüben, der war immer auch sein Markenzeichen. Auch Peter hat ein Markenzeichen, doch es ist leicht zu übersehen: Am Revers seines Sakkos steckt ein kleiner, goldener Pin, der den kantigen Kopf vom Arnold und das Wappen von Thal zeigt. Es gibt nur zwei dieser Anstecker auf der Welt, sie sind eine Sonderanfertigung – den einen hat der Arnold, den anderen der Peter. Und so ein Pin ist wie eine kleine Fahne, ein Zeichen der Verbundenheit. Peter trägt ihn jeden Tag. Von 1989 bis 2008 war er der Bürgermeister von Thal. Er sieht auch heute noch aus wie ein Bürgermeister: Er hat ein graugrünes Jackett und eine schwarze Hose an, dazu eine rotgoldene Krawatte und blank geputzte schwarze Lederschuhe. Seine silbergrauen Haare hat er zu einem Seitenscheitel frisiert.
In Thal leben wenige Menschen auf großer Fläche. 2300 Einwohner verteilen sich auf 19 Weiler. Der Plabutsch, der rund 750 Meter große Höhenzug, trennt die Gemeinde von Graz. Die Steiermark liegt so abgeschieden, dass manch einer noch die aufstrebende Landeshauptstadt besucht, es aber nicht mehr bis nach Thal schafft, das nur wenige Kilometer entfernt liegt. Es ist eine Schlafgemeinde: Gearbeitet wird in Graz, geschlafen in Thal. Es gibt einen See und einen Golfplatz. An den Wochenenden kommen die Grazer, um sich zu erholen. Thal will modern sein, für drei Euro gibt es Handy-Führungen durch die farbenfrohe Pfarrkirche, die wie ein bizarres Raumschiff aus einem Hollywood-Film wirkt. Den futuristischen Anbau des Gotteshauses hat Arnold aus Amerika mitfinanziert. Im Restaurant am Ufer des Thaler Sees kann man Schwarzeneggers Leibspeisen bestellen: Rindsuppe, Schnitzel und Apfelstrudel. Es hängt auch eine kleine Galerie mit Fotos vom Arnold an der Wand, wie er in der Gaststätte sitzt, daneben der Wirt. Wie er die Frau des Wirts im Arm hält. Wie er das Kind des Wirts in die Luft hält. Es gibt auch ein gemaltes Familienporträt mit Frau und Kindern, aber ohne den Wirt – an seiner Stelle sitzt Schwarzenegger.
Jetzt kommt der Gastwirt an den Tisch: „Sie wissen vielleicht, dass Arnold Schwarzenegger hier geboren und aufgewachsen ist.“ Es ist eine Feststellung, keine Frage. Er sagt: „Arnold ist einer von uns.“ Verschwistert und verschwarzeneggert fühlt man sich in Thal. Und man pflegt den Personenkult um den berühmtesten Sohn des Dorfes, der zugleich der bekannteste noch lebende Österreicher ist. Man weiß hier, dass das Image des Weltbürgers auch dem Ort gut tut. Peter hat schon früh erkannt, dass der Arnold das Aushängeschild ist. Er hat Aufkleber und Postkarten drucken lassen: Thal – Geburtsort von Arnold Schwarzenegger. Denn Peter ist auch Geschäftsmann. Heute arbeitet er als Vertreter für eine große Kaffeefirma. Auf die Rückseite seiner Visitenkarte hat er ein Foto von sich und Arnold geklebt. Beide lächeln in die Kamera und halten gemeinsam ein Täschchen in der Hand, auf dem der Name des Kaffeeproduzenten steht. Es sieht so aus, als würde er dem Arnold den Kaffee überreichen. „Ich habe den Draht zum Arnold“, sagt Peter, „durch ihn habe ich immer viel Publicity für unsere Gemeinde bekommen. Thal ist durch ihn berühmt geworden.“
Seit 2006 hatte es eine provisorische Ausstellung in einem grauen Container neben der Pfarrkirche gegeben. Mit Kraft zum Erfolg hatte Peter die kleine Sammlung von Fotografien und Schwarzenegger-Büchern genannt. Jeden Morgen um acht schloss er die Tür auf, abends um sechs sperrte er wieder zu. Rund 5000 Besucher kamen jedes Jahr, viele US-Amerikaner und Japaner, die sich mit Grüßen im Gästebuch verewigten. Sie schrieben: Du bist unser Held! Oder: Yeah Arnie Yeah!! Arnie forever! Vielleicht glaubten sie, dass ihr Idol diese Sätze tatsächlich eines Tages lesen würde. Niemand von den Besuchern kannte Peter Urdl, doch der las jeden der Einträge und freute sich, wenn jemand die Sammlung lobte oder etwas Nettes über Thal schrieb. Denn indirekt waren diese Grüße ja auch für ihn bestimmt, ohne den es das alles gar nicht geben hätte.
Peter und Arnold haben in der ersten und zweiten Klasse nebeneinander gesessen. An der Schule hängt ein buntes Plakat, das eine ganze Hauswand verdeckt: Wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann, so ist es der Glaube an die eigene Kraft. Start einer Karriere – Arnold Schwarzenegger war Schüler in dieser Volksschule. Thal ist wie ein großes Schwarzenegger-Freilichtmuseum. 2004 hat man bereits den Arnold Schwarzenegger Wanderweg eingeweiht – auch eine Idee vom Peter. Die wichtigsten Stationen in Schwarzeneggers Leben können auf einem Rundkurs abgelaufen werden. Man hat acht wuchtige Steine aus Granit aufgestellt, die mit Inschriften und Fotografien versehen sind. Ein neunter ist noch auf Lager. „Wer den Arnold kennt, der weiß, das immer alles möglich ist“, sagt Peter, „das ist noch nicht das Ende.“ Einer der Felsen steht vor dem Haus in der Linakstraße 9. Hier wurde Arnold Alois Schwarzenegger am 30. Juli 1947 geboren, hier lebte er 18 Jahre mit seinen Eltern und seinem Bruder.
Gemeinsam mit Christian Baha, Schwarzenegger-Fan und Millionär, hat Peter eine Firma gegründet, die ARNIE’s life GmbH. Baha hat den Kauf und die Renovierung des Hauses mit einer halben Million Euro finanziert. Nun hat Peter eine neue, viel größere Ausstellung eingerichtet. „Wir haben ihm ein Denkmal gesetzt“, sagt er, „wir sind das einzige Museum der Welt, das den Namen Arnold Schwarzenegger tragen darf. Wir haben seinen Segen.“
Textauszug. Lesen Sie die ganze Geschichte in Neues vom Nachbarn – 26 Länder, 26 Menschen.
Mehr über das Schwarzenegger-Museum.
„Ein Buch, das Europa als wahre Schatztruhe präsentiert – Oliver Lück hat sie mit Geschichten gefüllt. Er nimmt sich selbst zurück, um den Menschen und ihren Geschichten ganz nahe zu kommen“ (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung)