Eigentlich wollte er in die Toskana, doch ein Freund erzählte ihm von La Gomera, der Insel mitten im Atlantik. Das einstige Hirtenhaus steht auf einem einsamen Hügel. An klaren Tagen kann Ernst weit über den Ozean bis zur Nachbarinsel El Hierro blicken, wo am Abend die Sonne verglüht, wo häufig Wale vorbeiziehen. Seit er ein gutes Fernglas hat, steht er oft Stunden auf seiner Terrasse. Doch jetzt sind keine Tiere zu sehen. In der Ferne gräbt bloß die Expressfähre, die die Inseln verbindet, eine weiß schäumende Furche in das tiefe Blau des Meeres. Das Geräusch der Motoren ist auch hier oben – auf fast 700 Metern – noch deutlich zu hören. Seit 1999 lebt der gebürtige Österreicher alleine, versteckt in einem Meer aus riesigen, dickblättrigen Kakteen. Ohne Post, Telefon oder Strom. Mit seinem Hund und fünf Hühnern. Der Mann mit den tiefen Lachfalten und dem mächtigen Schnauzbart sagt: „Ich bin kein Aussteiger, ich bin ein Einsteiger ins Leben.“
In seiner Welt gibt es keine Ausreden. Er sagt, wenn er noch 15 Jahre hier oben leben könne, sei das gut. Wenn es noch 20 Jahre funktioniere, sei das sehr gut. Bekannte, die ihn regelmäßig besuchen, sagen, sie haben Angst davor, dass sie ihn eines Tages tot auf der Couch oder in der Ecke finden. „Dann ist auch das gut“, sagt er, „das dauert aber noch.“
Im Januar 2013 ist Ernst auf La Gomera auf seiner Terrasse gestorben.